Als das Kriegsgebiet noch Urlaubsparadies war: Reisen auf den Spuren der heiligen Schrift gehören zu den Hobbys der beiden katholischen Christen, hier am Simeonskloster in Aleppo.
Schwerte. Was treibt Menschen an sich Stunden, Tage und Wochen mit den Schicksalen der Flüchtlinge in Schwerte zu beschäftigen? Wo liegen die Herausforderungen der nächsten Zeit und was ist der Nutzen einer aktiven Mitarbeit? Ein Besuch bei den Flüchtlingspaten Lore und Reinhard Kinkel.
Den medialen Darstellungen von Not und Krieg stehen Eleonore und Reinhard Kinkel skeptisch gegenüber. „Nach den manipulativen Bildern aus dem Irak-Krieg glaube ich da erst einmal nicht alles. Da lässt sich tatsächlich noch nicht einschätzen, was noch auf uns zukommt.“ Die Flüchtlinge, die im letzten Jahr aus den aktuellen Kriegs- und Krisengebieten nach Schwerte gebracht wurden, sind dagegen real – Ansatzpunkt für das Ausleben christlicher Werte und die Umsetzung schneller, unbürokratischer und menschlicher Hilfe für das pensionierte Ehepaar von der Schwerter Heide.
„Dach über dem Kopf, satt, gesund. Punkt.“ So sieht Reinhard Kinkel den Ansatz in den ersten Wochen. Mittlerweile hat sich die Aufgabenstellung verlagert. Aus den praktischen Hilfestellungen, die es immer noch gibt, ist jetzt das Eintauchen in den bürokratischen Wust an Regeln, Gesetzen und Möglichkeiten geworden. „Natürlich ist das ´Bürokratendeutsch´ nicht jedermanns Sache, aber wir sind wirklich froh, dass sich eine Gruppe von etwa 25 Personen gefunden hat, die sich in die Thematik knien und gerade schulen lassen, um bürokratische Hürden zu überwinden.“
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Das Ehepaar Kinkel in Palmyra.
Strukturen aufbauen – verbindlich sein
Vier Themenabende strukturieren die Informationen und sind in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Asyl und der Caritas aufgesetzt worden. Lore Kinkel, die viele Jahre in der Schulthematik aktiv war, Pflegschaftsaufgaben auch auf Landesebene übernommen hat, sieht hier ihren Ehrgeiz geweckt: „Ich möchte einfach verstehen und wir alle möchten uns in einem Netzwerk zusammenschließen und die Informationen teilen. Da muss man ja nicht jede Problematik neu durchleben. Wichtig auch: weiterleiten, wenn die Informationen und Kompetenzen ausgehen.“
Beiden ist bewusst, dass das Flüchtlingsthema nicht gegen alle anderen Anliegen ausgespielt werden sollte: „Wir haben so viele gute Aktionen in Schwerte und es ist einfach wichtig, auch die am Leben zu erhalten. Auch das ist eine enorme Herausforderung. Da braucht es viele Schultern.“ Das Schlagwort an dieser Stelle heißt, Integration in einen strukturellen Prozess überführen, der nachvollziehbar, transparent und verbindlich ist. „Als damals die Aussiedler nach Schwerte kamen und später die Gastarbeiter, war das nicht immer gelungen und viele schmerzhafte Erfahrungen kommen noch heute hoch.“
Beide kennen Menschen, die genau aus jenem Antrieb in der aktuellen Flüchtlingsintegration aktiv sind. Ausgrenzung, Mobbing als es das Wort noch gar nicht gab, Diskriminierung – alles das sollte keinen Raum haben. Konstruktive Lösungen, die alle Menschen mitnehmen, ist das Ziel. Dass dabei Kulturkreise aufeinandertreffen, macht die Herausforderung nicht kleiner.
Aktive und konstruktive Entscheidungen
„Es gibt eine Vorrangprüfung, die auch schaut, ob für freie Stellen eventuell deutsche oder europäische Mitbürger willig und geeignet sind. Das sind wichtige Themen, denn der gesellschaftliche Frieden ist wichtig. Hilfe zur Selbsthilfe ist eine Losung, es geht nicht um das Übermuttern, das ist mit Integration nicht gemeint.“ Die komplexen Aufgaben und Herausforderungen dieser Tage sehen sie nur im Team zu stemmen: „Was da der Arbeitskreis Asyl in Schwerte bereits als Grundlagen bereitgehalten hat und bis heute leistet, ist gesellschaftlich einfach nicht bezahlbar.“
Zahlreiche Pilgerreisen führte das Paar in christliche Gebiete des vorderen Orients. Erfahrungen und Eindrücke aus Aleppo oder Palmyra waren ein Anschub für die aktive Hilfestellung. „Wir waren dort, haben die Schönheiten des Landes gesehen, das Land von Euphrat und Tigris besucht und in einem Shoppingzentrum sogar ein Spiel des BVB gegen Mainz schauen können. Unglaublich wenn man zurückdenkt,“ so Reinhard Kinkel.
Besonders interessant für beide: Wie leben Christen in der Welt? Wie sehen die Gemeinschaften aus und was unterscheidet sie? Die Neugier und Anteilnahme, die sie antreibt, hat für sie nichts mit Naivität und ´Gutmenschentum´ zu tun. „Es gilt die hohe Emotionalität aus dem Thema zu nehmen, denn es ist schlichte Notwendigkeit, sich mit den Menschen, die zu uns kommen, auseinanderzusetzen. Umso wichtiger ist es, ein Raster und ein Schema zu entwickeln, das den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird und auch für eine gute Verzahnung sorgt.“ Im multimedialen Zeitalter schneller Handys bleibt auch Geschwindigkeit ein Thema. Die Zeit mit den Helfern vom Arbeitskreis Asyl möchten beide nicht missen: „Wir haben erfahren, was wir alle leisten können und Schwerte ist näher zusammengerückt. Das ist eine wunderbare Erfahrung, auch wenn noch viele Herausforderungen warten. Wir möchten da nicht passiv sein und bilden uns gerne weiter.“
Abstand und Nähe – Die Waage in der Mitarbeit finden
Sich nicht gänzlich in diesem Prozess zu verlieren und eine Auszeit zu nehmen, ist für beide wichtig: „Wir fahren bald wieder auf unsere Lieblingsinsel in Frankreich. Klare Grenzen zu ziehen ist wichtig, denn nur so können wir auch wieder Kraft tanken.“ Teilen ist keine Einbahnstraße und Kompetenzen sind unterschiedlich gelagert – bei Helfern und Flüchtlingen. Das zu beachten scheint eine Herausforderung für die Zukunft. Eine gute Telefonliste mit hilfreichen Menschen am anderen Ende ist da Unterstützung und ein echter Anker.